Freitag, 1. April 2016

GPS macht uns zu geographischen Analphabeten

Könnten Sie noch ohne Ihr Satelliten-Navigationssystem im Auto existieren? Wann haben Sie zum letzten Mal eine Landkarte gelesen? Haben sich Ihre Geographie-Kenntnisse in den letzten Jahren verbessert oder verschlechtert? Das alles sind berechtigte Fragen, die allerdings nicht sehr wichtig sind, solange das satellitenbasierte Navigationsgerät im Auto oder im Rucksack funktioniert. Was es allerdings nicht immer tut.

Satelliten-Navigation: Ideal, um sich auch in Grossstädten, wo man sich nicht
auskennt zurechtzufinden -- solange das System richtig funktioniert.  Bild PfW 
GPS-Navigation ist wohl eine der wichtigsten Erfindungen der letzten Jahrzehnte, was die Alltagstauglichkeit und – Nützlichkeit der Geräte betrifft. Mit dem GPS-System im Auto findet man jede noch so obskure Adresse in der Grossstadt ohne einmal auf eine Karte schauen zu müssen, meistens sogar innert nützlicher Frist. Satelliten-Navigation ist eine fantastische Errungenschaft, wenn sie richtig genutzt wird und richtig funktioniert. Das ist durchaus nicht immer der Fall. Zitat aus dem Tagi:
“Auch bei einem bewährten System wie GPS gibt es Pannen, grosse Ausfälle kommen etwa dreimal im Jahr vor, begrenzte noch häufiger. Die Störungen der Satellitensignale haben zum Teil natürliche Ursachen. Sonnenstürme oder Wetterphänomene beeinflussen die Laufzeit der Signale, die für die Positionsberechnung wichtig ist. Es gibt auch technische Fehler, etwa wenn ein Satellit seine Zeitzeichen falsch ausstrahlt oder ganz ausfällt. Andere Sender können das schwache Satellitensignal zudecken. In Bodennähe kann es zu Reflexionen kommen, die aus einem Signal mehrere machen.“
Die einen machen sich Sorgen über die GPS-Ausfallsicherheit, andere über die Verkümmerung einst als Allgemeinbildung geltender Fähigkeiten – wie zum Beispiel Kartenlesen. Der britische Navigationsspezialist Roger McKinlay warnt nun in einem ausführlichen (englischen) Artikel im Journal of Nature davor, dass wir durch die ständige und unkritische Anwendung von GPS-Systemen unsere natürlichen Navigationsfähigkeiten verlieren:
“Navigation ist eine Fähigkeit, die wir nur behalten, wenn wir sie anwenden (use it or lose it). Simulatorstudien zeigen, dass Autofahrer, die GPS-Instruktionen folgen, mehr Schwierigkeiten haben, herauszufinden, wo sie sind, als jene, die Landkarten benutzen. GPS-Fahrer merken es auch nicht, wenn sie zweimal am selben Ort vorbeigeführt werden.
Bergrettungsteams haben genug davon, Leute zu suchen, deren Smartphone-Batterien leer sind, die keine Ahnung haben, wo sie sind und keine Papierkarte dabei haben“ (übersetzt durch die Redaktion).
Dieser Ansicht ist auch der deutsche Kolumnist Henryk M. Broder. Er geht sogar davon aus, dass jene, die sich vom Navigationssystem ins Blaue führen lassen, selber schuld sind und fordert: "Lernt wieder Karten lesen!
“Früher hat man eine Straßenkarte zur Hand genommen, heute verlässt man sich auf das Navi. Das führt dazu, dass Autofahrer, die, sagen wir: von Aachen nach Anklam wollen, keine Ahnung haben, durch welche Gegend sie fahren, ob es der Westerwald oder die Lüneburger Heide ist. Den Blick auf das Navi gerichtet, brettern sie dem Ziel entgegen. Ein falscher Buchstabe in der Eingabe, und sie enden in der Pampa. Zu Recht, denn Strafe muss sein. Kaum ein Mensch weiß noch, wie man Karten liest, dass oben der Norden liegt und unten der Süden. Der Unterschied zwischen einem Fahrer, der eine Karte benutzt, und einem, der sich von einem „Gremlin“ leiten lässt, ist der gleiche wie der zwischen einem Esser, der selber kocht und einem, der ein Fertiggericht in die Mikrowelle schiebt…“

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